GESTÄNDNISSE EINER HAUSBESITZERIN

Ich bin in einer Mietwohnung aufgewachsen. Jetzt wohne ich in einem Haus. Ich kenne die schöne Welt der Eigentümer also erst seit kurzem. Und nein, ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass es uns dadurch noch viel besser geht, nur weil es uns schon vorher besser ging.

Wir wohnen mittlerweile dreimal billiger als Familien, die etwas Ähnliches mieten. Und das, was wir monatlich zahlen, geht nicht verloren, sondern wird uns angerechnet, als Abzahlung. Bei den Mietfamilien ist hingegen alles Geld verloren. Einfach weg. Und dies nur, weil sie nicht so viel Startgeld hatten wie wir. Sie arbeiten aber genauso viel und hart wie wir.

Hausbesitzerinnen konnten in den letzten Jahrzehnten einfach zuschauen, wie sie reicher wurden. Wie ihre Wohnungen und Häuser stetig wertvoller wurden. Ohne einen einzigen Finger zu krümmen. Reich werden durch Zuschauen. Wer Kapital hat, sieht zu, wie es sich automatisch vermehrt; wer keines hat, schuftet und kommt auf keinen grünen Zweig. Ich profitiere also von einem System, das Reiche noch reicher macht und Arme noch ärmer. Von einem System, das von Jahr zu Jahr extremer wird in der Schweiz.

In keinem Wohlstandsland besitzen so wenige Menschen eigene vier Wände

Hypotheken gab es nämlich noch nie so günstig, die Zinsen sind so tief wie fast nirgendwo auf der Welt. Dank Tiefzinsen der Nationalbank erhalten die, die schon Geld haben, weiteres Geld fast zum Nulltarif, die Hypothek. Dieses geliehene Zusatzgeld dürfen sie dann noch steuerlich abziehen. Geld gibt also Zusatzgeld, und dieses Zusatzgeld gibt noch eine Steuerersparnis obendrauf. 

Das ist so, als würde eine Firma nur Chefs und reichen Mitarbeitern Kredite gewähren und ihnen dafür noch Boni als Zückerchen bieten. Ihre weniger gut betuchten Arbeiter würde sie gleichzeitig abzocken. Die Schweiz behandelt ihre Bürger wie diese Firma ihre Mitarbeiter. Das ist ein Drama.

Mehr als das halbe Land hat rein gar nichts von dieser bequemen Art, reich zu werden: Nur 39 Prozent der Menschen hierzulande gehören Haus oder Wohnung. 61 Prozent der Bürger sind Mieter und damit ausgeschlossen. In keinem Wohlstandsland besitzen so wenige Menschen eigene vier Wände. Sogar in Deutschland sind mehr Menschen Eigentümer. 

Häuser und Wohnungen sind auch in Deutschland über die Jahre immer teurer geworden. Und da belegt nun eine neue Studie der Universität Bonn, dass Immobilien die Ungleichheit erschreckend verstärken. Sie haben vor allem die oberen 10 Prozent reicher gemacht. Allein in den letzten acht Jahren um 1,5 Billionen. Die gestiegenen Mieten verschlingen dagegen einen immer grösseren Teil des Haushaltsgeldes. Mieten fressen bereits 40 Prozent der Einkommen der Ärmeren. Die Reichen kostet das Wohnen nur 14 Prozent. 

Unorthodoxe Massnahmen sind gefragt

Wenn Mieten steigen, trifft das also die Masse der Schweizer am härtesten. Da, wo es die Menschen hinzieht, rund um Städte, sind die Mieten ständig gestiegen. Dazu kommt die Geschäftemacherei mit Airbnb-Wohnungen, welche die Preise zusätzlich treibt und Mieter vertreibt. 

Das ist nicht solidarisch. Das hat soziale Sprengkraft. Kein Wunder, werden Forderungen nach gedeckelten Mieten oder gar Enteignungen grosser Immobilienkönige laut. Klar ist, dass jetzt endlich auch unorthodoxe Massnahmen gefragt sind. In Norwegen besitzen beispielsweise 82 Prozent der Menschen ein eigenes Zuhause. Ersthauskäufer, Menschen unter 34, müssen dort beispielsweise nur 15 Prozent anzahlen. Auch müssen die Verdienste der Hauskäufer nicht einem Fünf-Prozent-Zins-Extrem-Szenario standhalten, obwohl kein Ende der Tiefzinsen in Sicht ist. Und warum müssen Immobilienkonzerne nicht einen grösseren Teil ihrer Wohnungen zum Kauf anbieten? Und könnten letztlich die Pensionskassen die Situation entschärfen? Warum werden sie als Milliardeninvestoren selber zu Immobilienspekulanten und treiben damit die Preise hoch, statt konsequent nur ihren Versicherten direkt Hypotheken zu gewähren? Nur so geht Gerechtigkeit, nur so geht Eigentum für alle. #aufbruch

Patrizia Laeri